Historische Höchstpreise bei Strom und Erdgas

Der Ölpreisschock in den 1970er Jahren löste in den Industriestaaten schwere Rezessionen aus. Wir hoffen sehr, dass es diesmal nicht so weit in Bezug auf wirtschaftliche Folgen kommen wird. Allerdings haben wir aktuell sowohl beim Strom als auch beim Gas ein historische Höchstpreis-niveaus erreicht, die die bisher gekannten Preisentwicklungen absolut in den Schatten stellen. Der Strompreis hat sich seit Jahresanfang nahezu vervierfacht und der Gaspreis für das Winterquartal Q1/2022 hat sich sogar in den letzten 11 Monaten versechsfacht. Dies sind für viele Markt-teilnehmer existenzgefährdende Preisentwicklungen, welche sicherlich auch in den nächsten Monaten viele Unternehmen belasten wird bzw. zusätzlich noch die deutsche Inflationsrate vorantreiben wird.

Was sind die Ursachen? Schlicht gesagt, herrscht an den Strom- und Gasbörsen zurzeit blanke Panik und leider auch Gier. Die aktuelle Markt-preisentwicklung ist überwiegend vom Marktmechanismus Angebot- und Nachfrage entkoppelt. Die Coronakrise und die damit verbundenen Wirtschaftssorgen spielen erstaunlicher Weise absolut keine Rolle. Auch die Chipkrise, die Containerkrise, die allgemeinen Lieferengpässe, der Fachkräftemangel und nicht zuletzt die seit fast 30 Jahren höchste Inflationsrate in der Geschichte der Bundesrepublik trüben die Preiseent-wicklung an den Energiebörsen in keiner Weise. Dabei ist zu beobachten, dass es bei den beiden Medien Strom und Erdgas durchaus unter-schiedliche Hauptfaktoren gibt, die als medienspezifische Preistreiber ausgemacht werden können.

Beim Erdgas ist fundamental anzumerken, dass wir dramatisch niedrige Gasspeicherstände in Deutschland und Europa zu verzeichnen haben. Somit befindet sich beispielsweise der aktuelle Gesamtspeicherstand in Deutschland bei einem Füllgrad von nicht einmal mehr 60 %. Dies be-deutet ein sattes Minus von rund - 20 % im Vergleich zum Mittelwert der letzten 5 Jahre, was als sehr bedenklich bezeichnet werden darf. Hinzu kommt, die bis dato nicht genehmigte Pipeline Nord Stream 2 und die Kriegsängste in Bezug auf den Russland-Ukraine-Konflikt. Zusätzlich ist dazu anzumerken, dass Deutschland über 55 % seines Gasimportes aus Russland bezieht. Weiterhin herrscht die Ungewissheit, wie sich das Wetter kurzfristig gesehen im Winter 2021/22 entwickeln wird und dementsprechend vor allem wohin die Heiznachfrage tendiert. Diese gesamte Gemengelage hat mittlerweile dazu geführt, dass der Gaspreis nicht mehr prognostizierbar ist und noch höhere Preisniveaus erreicht werden könnten.

Auch beim Strom sieht es ähnlich „gruselig“ aus, auch wenn die Hauptgründe für die Extrempreise zum Teil andere sind. Nicht nur bei den Gas-preisen haben wir für das Frontjahr 2022 historische Höchstpreise bei ca. 85 €/MWh erreicht, auch die Kohlepreise sind rasant gestiegen. Diese haben sich nämlich in den letzten 12 Monaten ebenfalls ungefähr verdreifacht. Darüber hinaus haben die EUA Zertifikate, welche von den Kraft-werksbetreibern von Kohle- und Gaskraftwerken EU-weit für die Herstellung von Strom zusätzlich erworben werden müssen, eine nicht zu ver-nachlässigende Preissteigerung von 35 €/t auf ca. 80 €/t hingelegt. Verschärfend kommt noch hinzu, dass die Erneuerbaren Energien (insbe-sondere Wind) in den letzten Monaten nur mäßig performen konnten, aufgrund ungünstiger Wetterlagen. Damit hat sich eine „Melange“ zu-sammengebraut, die den Strommarkt von einem Höchstpreis zum Nächsten jagt und damit mittlerweile exorbitante Steigerungsraten innerhalb kürzester Zeit aufweist.

Der Ausblick für 2022 ist unter den geschilderten Rahmenbedingungen extrem schwierig, da wir es mit einem Füllhorn von Problemen und Krisen zeitgleich zu tun haben werden. Bildlich gesprochen ist quasi ein Tsunami über uns energiepreislich hereingebrochen, wobei weitere „Seebeben“ nicht ausgeschlossen sind. Neben den geopolitischen Verwerfungen, hohen Rohstoffpreisen und dem wirtschaftlichen Ausblick, werden für die Entwicklung der Preise auch energiemedienspezifische Einflussfaktoren eine entscheidende Rolle spielen.

Für die zukünftige Gaspreisentwicklung wird u. a. auch der Speicherfüllstand Ende März 2022 entscheidend sein. Beim Strompreis kann nur eine Normalisierung der Preise eintreten, wenn neben sinkenden Rohstoffpreisen (Kohle & Gas), sich auch die EUA Zertifikate preislich spürbar nach unten bewegen und die Erneuerbaren Energien einen signifikant höheren Stromerzeugungsbeitrag als in 2021 ausweisen.

Insgesamt würde es uns in 2022 schon helfen, wenn die aktuelle Energiepreiskrise – sowohl in Deutschland als auch innerhalb der EU – einen deutlich höheren Stellenwert gewinnt, bzw. wie bei der Ölpreiskrise sogar kurzfristig zur politischen Chefsache erklärt wird. Denn aktuell fehlen dringend die notwendigen Impulse für eine nachhaltige Entspannung der Lage.